"Sie sind das Methadon-Programm für Volker Pispers Fans. Ihre Programme sind die Sesamstraße für politische Bildung."
(Fan aus Hamburg)
Johannes Kaufmann
schrieb am 3. Februar 2020
um
23:21
Liebe Frau Hartmann,
ich möchte mich dem Lob für Ihre Sendung in den Querköpfen des DLFs anschließen. Damit bin ich zwar etwas spät, dafür ist es aber auch nicht uneingeschränkt. Mir gefällt Ihr bissiger Humor und ich möchte insbesondere hervorheben, dass Sie der AFD zwar Hiebe verpassen, dass aber wenigstens auf dem Kabarett angemessenen Niveau betreiben. (Viele Ihrer Kollegen sehen davon leider ab, so dass AFD-Nummern viel zu oft zu einem breitreiten von Witzen verkommen, über die nur lachen kann, wer die passende Meinung hat.)
Die Verstandesangelegenheit, deretwegen ich mich bei Ihnen melde, hat ihren Ursprung auch in einer anderen Nummer: ich bin schwer entäuscht - gerade im Bezug auf Ihren Hintergrund als studierte Volkswirtschaftlerin - das Sie Kapitalismus (meines Wissens im (freiwilligen) Tauschgeschäft verankert) als Nullsummenspiel betrachten (Minute 30:30 ff.). Nicht nur steht dies im Großen im Wiederspruch zur Entwicklung der Welt (https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/die-welt-wird-immer-besser-32-gute-nachrichten-15524076.html; sicherlich auch noch an anderen Stellen in ähnlicher Form zu finden), es steht auch im Widerspruch zu Ihrer Tätigkeit.
[Durch Aufwendung von Ressourcen (Ihre Arbeitskraft) fügen Sie der im Kabarett verbrachten Zeit einen Wert zu, der für die Zuhörer größer ist, als die Ressourcen (Eintrittsgelder) die jene dafür ausgeben. In der Annahme, das weder Sie noch Ihre Zuhörer beim Besuch Ihrer Vorstellungen betrogen werden gibt es also zumindest einen Austausch, der kein Nullsummenspiel ist. Ich erlaube mir dies bis auf weiteres als Beweis dafür anzusehen, dass es sich bei jedweden anderen Tauschgeschäften ähnlich verhält bzw. verhalten kann.]
Die Aussage der Verbesserung der Welt behält Ihre Gültigkeit auch im Hinblick auf Klimaveränderungen und andere Eventualitäten, da diese sich offenbar in geringerem Maße in der Lebenssituation niederschlagen, als es die Verbreitung der Industrialisierung und Arbeitsteilung tut.
Frohlocken Sie nur über die Textlänge, denken Sie aber bitte genausolange über meine Aussagen nach, wie ich über Ihre - und machen Sie ansonsten weiter so.
Mit freundlichem Gruß
Johannes Kaufmann
Administrator-Antwort von: Anny Hartmann
Lieber Herr Kaufmann, danke für Ihr ausführliches und differenziertes Feedback. Ja, die AfD muss man inhaltlich bekämpfen, nicht polemisch - schön, dass Sie meine Bemühungen zu würdigen wissen.
Zum Kapitalismus: in Ihrer Rechnung mit meinen Auftritten vergessen Sie meinen Resoourcenverbrauch, Anreise per Bahn, also Infrastruktur, Energie, Flächenverbrauch, dann die Übernachtung in Hotels, immer nur eine Nacht, die komplette Wäsche muss gewaschen werden und auch noch die Ernährung unterwegs, sprich meist in Plastik verpackt. Ich weiß, Ihr Beispiel war nicht ganz ernst gemeint, ist meine Gegenrechnung ja auch nicht. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass unendliches Wachstum (wie es der Kapitalismus nun mal fordert) in einer stofflich begrenzten Welt nicht möglich ist. Es mag sein, dass unsere Generation noch mehr Vorteile durch Arbeitsteilung als Nachteile durch Klimawandel erlebt - für die folgenden Generationen sieht das leider schon ganz anders aus. Aber dass Sie als Herr Kaufmann den Kapitalismus verteidigen, ist ja quasi folgerichtig ;-)) Beste Grüße und bleiben Sie kritisch! Anny Hartmann